top of page

Den Tod muss man Leben.

  • Biokind
  • 1. Okt. 2018
  • 3 Min. Lesezeit

Ich möchte euch ein ganz besonders Buch vorstellen, welches heute am 1. Oktober endlich im Handel erschienen ist. Es trägt den Titel "Den Tod muss man Leben" und wurde von der wunderbaren Autorin und Bestatterin Angela Fournes und Anette Bopp geschrieben. Einer Bestatterin, die wie ich finde - nicht einfach eine Bestatterin ist, wie man sich sie vorstellt, sondern eine Seelenschwester mit warmen Herzen und ganz viel Wissen um die Welt, welche uns nach dem Tode vielleicht bevorsteht. Ich habe Angela vor etwa sechs Monaten das erste mal beim Café Tod in Berlin kennenlernen dürfen. Damals war mein zweiter Großvater innerhalb dieses Jahres 2018 verstorben und es brannte mir in der Seele, über den Tod zu sprechen. Eine wunderbare Gelegenheit also, dass Angela vor vielen Jahren das "erste Café Tod Berlin" in den Räumlichkeiten ihres Bestattungsinstituts gründete.

"Wie stirbt man?" wollte ich wissen. Um nachvollziehen zu können, warum mein Großvater, der ja nun seit einigen Wochen verstorben war - trotzdem immer noch mit meiner Mutter auf ihrer Arbeit im Pflegeheim umherlief und sie das Gefühl hätte, er könne noch nicht loslassen. Die Geschichte dahinter ist mir immer noch ein Klos im Halse, denn diese art des Sterbens, wie es mein Großvater im April getan hat - war in Gewisser weise auch mein Weg den ich mit - bestimmte.

Mit seinen 75 und vielen Raucherjahren hinter sich, stellte sich heraus, dass seine Lungen mittlerweile so inoperabel geschädigt waren, dass er ohne fremden Sauerstoff nicht mehr atmen konnte. Im Krankenhaus auf der Intensivstation ward es einmal so schlimm um ihn, dass der Arzt eine Entscheidung bräuchte was im Falle des Falles mit ihm geschehen soll. Meine Mutter, deren Schwester und mein Onkel waren total überfordert mit ihrer Rolle als letzt verbleibende Kinder der Familie L. und so entschied also ich den Weg des freien Sterbens für ihn. Ich sehe ich noch heute vor mir im Bett liegen, als er dem Arzt, der mit der Patientenverfügung vor ihm stand und ihm erkläre, dass man einen Luftröhrenschnitt machen müsste, wenn es mit seiner Luft nicht besser würde - mit letzter Kraft zu sagen: "Ich leb doch noch!"

Er lebte. Ich spürte seinen Herzschlag in der Brust wenn ich meine Hand auf seinen Bauch legte, aber ich wusste auch instinktiv, dass seine Zeit gekommen war. Ich fühlte meine Großmutter im Raum und wie sie mir Rückenwind bei meiner Entscheidung gab und letztlich war es nur eine frage der Zeit, wann der letzte Pulsschlag durch seine Adern bebte, bevor er die eingefallen Augen schloss um für immer einzuschlafen.

Zum Glück, kann ich sagen dass er nicht als Anonymer alter Mann in diesem Krankenhaus verstorben ist. Sondern nach meinem Besuch seine letzten vier Tage im Beisein meiner Mutter im Pflegeheim sein durfte. Aber als der Anruf kam, dass es geschehen ist - fühlte ich mich glücklich und schuldig zu gleich. Glücklich, dass ich zuletzt nochmal alle Menschen in Bewegung setzte, die ihm am Krankenbett ein Abschiedsbesuch abstatten konnten. Glücklich, dass ich noch einmal da sein konnte. Für ihn und mit ihm. So nah und echt, wie ich es niemals zuvor bei ihm sein konnte. Und doch auch so schuldig dafür, jemanden der unbedingt leben wollte, eine Entscheidung zugewiesen zu haben - die ich lediglich in meinem Bauchgefühl trug. Demjenigen, den ich doch gerade erst in den wenigen Tagen kennen und schätzen gelernt habe, los zu lassen. Aus der Tür hinauszugehen und zu wissen, dass dies das allerletzte mal gewesen ist. Ich brauchte Wochen um damit klar zu kommen. Selbst wieder anzufangen zu Essen und leben zu wollen.. eine sehr prägende Zeit.

In Angelas Café Tod, haben wir viel über die Verstorben geredet. Welche Tode sie sterben und welche verschiedenen Gewänder sie nach und nach Ausziehen, wenn sie von dieser Welt gehen.

Noch nie habe ich mich so verstanden und berührt gefühlt, wie in diesen drei Stunden in denen ich bei ihr war.

In ihrem Buch erzählt sie, wie sie verstorbene Menschen begleitet und wie wir alle es ihr nachmachen können. Den Tod Leben - nicht begraben. Sie schreibt dabei von einer ganz besonderen Abschiedskultur in der der verstorbene zusammen mit seinen Angehörigen Aufgebahrt, gewaschen, angezogen und sein Sarg mit der schönsten und persönlichsten Handmalerei verziert wird. In der es Erinnerungsfeiern für den gegangenen Menschen und den hier gebliebenen gibt. Umgeben von Menschen die Singen, schöne Blumen bereiten und das Leben feiern.

Dieses Buch ist mein persönliches Jahreshighlight und ich bin gespannt mich ganz in ihm zu vertiefen und mein Ich mit dem sterben vertraut zu machen.

Denn wenn es eins ist, was ich gelernt habe.. dann ist es Vorbereitet zu sein.

Denn wer aus allen Wolken fällt und mit dem Tod konfrontiert wird, der hat in üblichen Bestattungssituationen kaum Zeit zum Trauern. Zum Anfassen aber auch zum Loslassen.

Weder der Mensch diesseits, als auch der Mensch jenseits.

Eure Biokind


 
 
 

Comments


Featured Posts
Versuche es später erneut.
Sobald neue Beiträge veröffentlicht wurden, erscheinen diese hier.
Recent Posts
Search By Tags
Follow Us
  • Facebook Classic
  • Twitter Classic
  • Google Classic
Media 

© 2016 BIOKIND 

  • Schwarz YouTube Icon
  • Instagram Social Icon
bottom of page